Im Ernst

Hab lange mit mir gerungen, einen beziehungsweise diesen Text zu schreiben. Lange gehadert, weil ich keine Erfahrung darin habe. Niemand mit Rang und Namen bin. Mich viel zu oft messe, an irgendwelchen außen geleiteten Oberflächlichkeiten. Mich manchmal noch blenden lasse, von Dingen die glitzern, aber nicht wahr sind.
Tausend Geschehnisse in dieser Welt, die mich berühren, mir zu Herzen gehen, mich erheben, verunsichern oder erschrecken. Zu viele haben mit dem zu tun, was wir Menschen hier tun.
Aber das ist auch ein Kern dieser Zeit.

Ambivalenzen. Ängste. Möglichkeiten. Widersprüche. Extreme.

Und für mich kam der Tag, an dem mir klar wurde, dass es so nicht mehr geht und ich mich über mein Denken erheben muss. Für etwas, dass viel größer ist, als die ganzen Nichtigkeiten hinter denen ich mich tagtäglich verstecke.

Es kann nicht unser Ernst sein, dass Menschen auf Meeren sterben, während genug Geld da ist, um Banken zu retten.
Es kann nicht unser Ernst sein, dass Menschen verhungern, verdursten, erfrieren und wir jeden Tag Unmengen an Nahrungsmitteln und Kleidung entsorgen.
Es kann nicht unser Ernst sein, dass in Kindern unsere Zukunft liegt und wir ihnen abtrainieren, sie selbst zu sein.
Es kann nicht unser Ernst sein, dass wir Ressourcen, Menschen oder Ideen ausbeuten und Seminare zum Umgang mit Stress anbieten.

Dass wir Unmengen an Kunststoff produzieren, während wir über ein grünes Leben sprechen.
Dass wir uns durch Menschen bedroht fühlen, während wir dazu beitragen ihr Land zu zerstören.
Dass Menschen aus ihrer Heimat flüchten, weil sie Lebensbedingungen suchen, die für uns schon so selbstverständlich sind, dass wir sie nicht mehr als solche wahrnehmen.

Wir haben mindestens einen social media Account, aber keinen Zugang zu unserem Inneren.
Wir entziehen diesem Planeten jegliche Energie und empfinden das als unser Recht. Ozeane sterben, Landschaften brennen und Tiere verenden, weil wir uns über deren Kreisläufe stellen.
Wir behaupten die Krönung der Schöpfung zu sein – ein Schöpfer lässt Dinge entstehen, nicht sterben.

Wir leben nicht ewig. Niemand von uns.
Wenn wir diese Welt nicht besser machen, wer wird es stattdessen tun?

Manchmal wird im größten Chaos auch tiefe Hoffnung geboren.
Im Ernst.
Und auch im Leben.

Ein Blick, ein Wort, eine Geste. Eine Spende, eine gute Tat, ein Lächeln.
Ein neuer Morgen, Zuversicht und Kraft. Liebe, Vertrauen und Freude.
Jeder einzelne Mensch,
jedes einzelne Lebewesen,
jede Sekunde,
jede Stunde,
jeder Tag.
Jeder einzelne Tag.
Das kann nicht unser Ernst sein.

Manoni