Hart einsteigen

Bin heute auf dem Fußballplatz gewesen. So ein Wochenende will bedient werden. Während sich eines meiner Kinder warmlief, postierte sich das andere am Rand auf dafür vorgesehenen Stufen, um dann in zwei Minuten Abständen wiederholend folgende Sätze zu verbalisieren: „Kann ich jetzt gehen? Mir ist kalt. Das ist langweilig.“ Ein guter Test für sichtbare Fortschritte aus meinen Meditationsübungen. Die Kunst besteht nämlich darin, sich auch an einer vierspurigen Hauptverkehrsstraße innerlich versenken zu können, statt das mit den anderen tun zu wollen. Spielplatz und nicht wollender Sprössling sind in diesem Zusammenhang ja buchstäblich Kindergeburtstag. Während also ein nicht enden wollender monotoner Satz- und Fragefluss mein rechtes Ohr bearbeitete, kam linker Hand neue Action in Form eines Fahrrades auf den Platz geradelt. Vater mit Kind. Zumindest von vorn. Mein Bauch sagte, dass diese schnöde Aussage der Situation nicht gerecht werden würde. Korrekt! Es war ein fußballtrainierender Vater mit einem Kind, das oft zum Training geht (oder muss) und deswegen sehr klug alle Regeln beherrscht, sie umsetzt und unentwegt mitteilt, beziehungsweise die anderen mit Nachdruck darauf hinweist. Der Vater trug, für alle erkennbar, eine Jacke, auf der hinten ein Vereinsname sowie in großen Buchstaben das Wort COACH prangte. Entweder hatte er diese Position inne oder er hatte die Jacke gerippt, wie man in meiner Jugend zu sagen pflegte. Ich tippte auf Ersteres. Nach der Aufwärmung animierten die beiden alle Kinder auf dem Platz zu einem gemeinsamen Spiel. Einteilung in zwei Mannschaften, Coach und Sohn waren in einer. Der Anpfiff. Man sah, dass die beiden es ernst meinten, besonders der Vater. Hier wird nicht nur einfach gespielt, hier werden Meisterschaften ausgetragen, scheiß doch der Hund drauf, dass das hier Kinder sind – wen juckts? Das Leben ist kein Ponyhof! Der coachende Vater baute sich zu einer Körperhaltung auf, die mich stark an die Frage „Hast du Rasierklingen unter den Armen?“ erinnerte, während seine Bewegungsabläufe auch gewisse Tanzstile bei Rave-Veranstaltungen hätten darstellen können. Sein dauerhaftes „Jawoll“ wenn das Kind den Ball getroffen hatte, bestätigte das. Als er (nachdem er seinem Sohn kleinschrittig zugebrüllt hatte, was der auf dem Weg zum gegnerischen Tor verdammt nochmal machen soll) dann auch noch blutrot im Gesicht „Und jetzt nehmen wir sie auseinander!“ schrie, wusste ich, dass hier hart einsteigen angesagt war. „Lang machen!“, „Was machst du denn da?“ „Guck doch mal hin!“, das ging nur so. Hätte ich auch keinen Bock drauf, was aus meiner Sicht die vielen „Schwalben“ und Stürze erklärte, die der Sohn ins Spiel einbrachte. Auf der Suche nach einer Pause und ein wenig Zärtlichkeit. Ist allerdings ein Phänomen, dass ich häufiger auf dem Bolzplatz beobachte. Die eigene Fußballkarriere am Kind abgearbeitet. Das eigene Verständnis vom „Mannsein“ gleich mit. Das kann nicht gut sein. Und du? Schreist du noch oder spielst du schon?

 

Manoni